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Vor 80 Jahren: Auflösung unserer Gemeinschaft durch die Gestapo

In der Geschichte unseres Institutes gibt es ein besonderes Datum, an das wir uns im November erinnern: Sr. Clementine erhielt am 28. November 1939 in Germete - als sie den Gründer vertrat, der an Herzproblemen litt - von den Offizieren der Gestapo die Verfügung zur Auflösung des Institutes. Sie musste den Empfang der Benachrichtigung unterschreiben, bevor sie das Dekret lesen konnte. Und nachdem sie es dann las, protestierte, fragte und argumentierte sie mit Mut und Klarheit. Vergeblich! Es blieb in dem Moment ein Gefühl der Machtlosigkeit:

"Fünfzig Soldaten sind im Haus, aber sie können keinen Finger zu unserem Schutz rühren und vermögen nichts gegen zwei Männer, die uns ein dürres Blatt Papier mit einer unleserlichen Unterschrift überbrachten. Dieses kleine Stück Papier, mit Unrecht und Lüge beschrieben, ist allgewaltig, weil eine diktatorische kirchenfeindliche Staatsführung hinter ihm steht."

In dieser schmerzhaften Stunde unserer Geschichte war das vollkommene Leben mit dem gegenwärtigen Gott das Ferment, dass einen noch stärkeren Glauben und ein noch tieferes Vertrauen in Pastor Meyer entwickelte sowie in Sr. Clementine und den Schwestern der ersten Generation. Ungewissheit bezüglich der Zukunft unserer Gemeinschaft, Unsicherheit, Terror eines Krieges, der seit zwei Monaten wütete, Verfolgung und Ungerechtigkeit vermochten nicht ihre betende Hingabe an Gottes Plan zu zerstören.

Trotz des enormen Schmerzes gingen die Schwestern am Abend dieses 28. November zum Gründer, um ihre Hoffnung und ihren Dank zum Ausdruck zu bringen. Das gemeinsame und geteilte Leid stärkte das Band der jungen Gemeinschaft des Institutes.

Der Bericht von Sr. Clementine "Die Schwestern von Germete in gefahrvoller Zeit" über die Zeit des Institutes im Nationalsozialismus ist es wert, wieder gelesen zu werden. 80 Jahre sind vergangen und diese harte Tatsache unserer Geschichte drängt uns, für Gottes Barmherzigkeit zu danken, die uns nie aus dem Blick verlor und uns an allen Orten und zu allen Zeiten unterstützte (vergl. Weish 19,22). Durch den Glauben unserer Pionierinnen haben wir "eine Wolke von Zeugen um uns." Sie motivieren uns, mit Ausdauer weiterzugehen und dabei stets Jesus im Blick zu behalten (vergl. Hebr 12,1).

Ca. 60 Schwestern kamen 1945 zur Gemeinschaft zurück. Nach ihrer Exilserfahrung konnten sie schließlich mit Pastor Meyer in Sümmern neu beginnen, und in 1946 wurde Haus Germete wieder Sitz des Institutes. Dank Sr. Odilia Blankenstein haben wir Aufzeichnungen von 14 Schwestern als Zeugnisse dieser Zeit. Sie beschrieben ihre Erfahrungen dieser schrecklichen Jahre der Menschheitsgeschichte und wie sie ihre Berufung in dieser Periode lebten.

Ende der 80 Jahre, motivierte Sr. Odilia die Schwestern in Haus Maria, von ihren Erinnerungen zu erzählen. Sie fasste die Berichte zu einer Broschüre zusammen und schrieb in der Einleitung:

"Wie haben wir die "gefährdete Zeit" überstanden, nachdem die Auflösung unseres Institutes durch die Gestapo verfügt worden war? Es war die Gnade unserer Spiritualität des Wandels in der Gegenwart Gottes. Ich möchte betonen, dass wir bei unserem Fortgehen aus unserem Mutterhaus und den Filialen nichts Schriftliches in der Hand hatten, keine Geistliche Regel mit ihren Leitlinien für ein geistliches Leben. Unser Gründer, Herr Pastor Meyer, hat uns durch die Hinführung zum Leben in der Gegenwart Gottes innerlich so geprägt und so gefestigt, dass wir alle Schwierigkeiten ertragen und bestehen konnten."

Mit diesem Reichtum im Herzen trugen die Schwestern ihr Kreuz und halfen Vielen ihr Kreuz auf sich zu nehmen. Unter Bombardierung lebten sie müde und solidarisch in der Pflege der Kranken. Riskierten selbst, gefangen genommen zu werden, weil sie Kontakte zu den Mitschwestern und zum Gründer unterhielten. Für sie waren diese Momente der Begegnungen voller Freude! Orientierungen von Sr. Clementine und Pastor Meyer nahmen sie sehr wichtig. Sie waren Zeichen der Hoffnung im Untergrund und inmitten von Chaos und Zerstörung. Sie überlebten, um zu erzählen und neu zu beginnen!

(Text: Sr. Rosemeyre Barbosa Cardoso)

Heute kamen alle Schwestern in Haus Germete zu einer Gedenkstunde zusammen. Wir erinnerten an das Leid und die Trauer, die die Auflösung unserer Gemeinschaft und die Vertreibung aus unserem Mutterhaus vor 80 Jahren über uns brachte. Aus den von 14 Schwestern Ende der 80er Jahre verfassten Erfahrungsberichten aus jener Zeit hatten wir jeweils eine Aussage ausgewählt. Darin kommt nicht nur der Schmerz über die Auflösung, sondern auch die Dankbarkeit zum Ausdruck, dass Gott die Schwestern gerade in der schweren Zeit begleitet und geführt hat: 

Schwester Ancilla: „Gott in unserer Mitte war der ruhende Pol in all den Wirren und der Angst für uns gewesen.“

Schwester Creszentia: „In all den gefahrvollen Situationen war mir Gottes Hilfe greifbar nahe, und ich war voll Vertrauen auf seine Hilfe und auf die Fürbitte der Gottesmutter und der Heiligen.“

Schwester Emma: „In all den Jahren habe ich nie den Mut verloren. Es war ja auch keine Zeit dazu da.“

Schwester Josefine: „Gott hat uns in all den Jahren in Borghorst gnädig geleitet. Er hat uns gute, hilfsbereite Menschen zur Seite gegeben.“

Schwester Jutta: „Die Zeit der äußeren Auflösung unserer Gemeinschaft war wohl für alle unsere Schwestern eine schwere Zeit der Erprobung und Bewährung.“

Schwester Ludwiga: „Wenn auch die Nachkriegsjahre nicht ohne Sorge und Not waren, so waren doch mit dem Ende der unseligen Naziherrschaft die Unsicherheit und Gefahr der Überwachung durch die Gestapo vorüber.“

Schwester Margarete: „Ich ging in der festen Zuversicht, dass wir wieder zusammenkommen würden, und machte mich zunächst auf 20 Jahre gefasst.“

Schwester Monika: „Der Hauptmann fand die Anwesenheit von einigen Schwestern zwischen den Soldaten im Interesse letzterer von großem inneren Wert, und hat dies uns gegenüber auch öfter geäußert.“

Schwester Odilia: „Wie intensiv haben wir aus dem Geist des Institutes gelebt. War auch die äußere Form zerschlagen, so haben wir doch erfahren, dass der Wandel in der Gegenwart Gottes nicht von äußeren Formen abhängig ist, dass unsere Spiritualität überall gelebt werden kann.“

Schwester Placida: „Gott hat mich gut geführt und immer gut für mich gesorgt: Er sei gelobt! Ich habe ihm viel zu danken.“

Schwester Radegund: „Das Bild eines KZs stand uns vor Augen. Wir haben nur allen Grund, Gott und der seligsten Jungfrau für ihren Schutz zu danken.“

Schwester Rosalie: „Doch ich bewahrte Mut und Gottvertrauen und wollte dem Institut auch in dieser schwierigen Lage treu bleiben.“

Schwester Wilhelmine: „Die Jahre des Nationalsozialismus waren für unsere Gemeinschaft dunkel und schwer, und manchmal schien auch unsere Zukunft hoffnungslos, besonders wenn auf den Kriegsschauplätzen ein Sieg nach dem anderen errungen wurde.“

Schwester Alinda: „Es war für uns alle eine große Freude, nach den schweren Jahren wieder in der Gemeinschaft zu sein. Die Zeit der Angst und Schrecken lag hinter mir. In aller Not hatte ich Gottes Hilfe erfahren.“

Herr Pastor Meyer:

Kreuzesprüfung und Beschauung: „Ist das Wesen des Herz-Jesu-Institutes die Beschauung und das Apostolat, dann hat die Auflösung unseres Institutes als Schickung Gottes ihren tiefen Sinn in diesem Wesen."

"Gott will nicht, dass wir unhaltbare äußere Formen verewigen und dabei den Segen des Kreuzes verpassen. Gott will, dass wir seine Prüfung und Heimsuchung verstehen und auswerten zur Reinigung unserer Liebe und zur Befreiung unseres Herzens."